Dieser Artikel gehört zur Artikelsammlung Toxikologie.
Näheres dazu im Artikel Vergiftungen verständlich erklärt und was man dagegen tun kann.
Kommen wir nun zum eigentlichen Thema: Vergifungen. Am besten beginnen wir, für den Rettungsdienst passend, mit einem Symptom. Dem anticholinergen Syndrom. Dieses zeichnet sich primär durch Tachykardie, heiße, gerötete Haut sowie eine geweitete Pupillen (Mydriasis) aus. Alles Effekte die durch den Sympathikus ausgelöst werden. Es wird also verständlich, dass der Parasympathikus an seiner bremsenden/beruhigenden Tätigkeit gehindert wurde und der Sympathikus die Kontrolle über die Organe hat. Wodurch passiert das nun?
Der Parasympathikus kann durch sog. Parasympatholytika gehemmt werden, diese können an die muscarinischen oder nicotinischen Acetylcholinrezeptoren binden, ohne jedoch dabei eine Reizweiterleitung auszulösen. Dadurch wird der Parasympathikus teilweise oder vollständig blockiert.
Dies geschieht zum Beispiel durch Alkohol, Tropanalkaloide (Atropin, Hyoscyamin), trizyklische Antidepressiva, GABA (Gamma-Amminobuttersäure) oder auch durch Anti-Histaminika (H-Reptoren-Blocker, Antiallergiemedikamente).
Als Antidot für so eine Vergiftung kommt Physostigmin (Med: Anticholium (R)) in Frage. Dieses ist ein reversibler Hemmer des Enzyms Acetylcholin-Esterase (AChE). Dieses Enzym spaltet den Neurotransmitter Acetylcholin im synaptischen Spalt, sodass es nicht mehr wirksam ist und der Parasympathikus nicht so stark erregt wird. Wird nun die AChE durch Physostigmin gehemmt, findet kein Abbau von ACh in synaptischen Spalt statt, die ACh-Konzentration steigt und das anticholinerge Syndrom wird damit bekämpft, indem der Parasympathikus wieder verstärkt erregt wird.
Auf die Dosierung möchte ich hier nicht weiter eingehen, da das zu weit gehen würde und für das Verständnis auch nicht von Relevanz ist.
Eine Übererregung des Sympathikus wurde nun geklärt, was ist aber, wenn der Parasympathikus überregt wird? Als Symptome hierbei würde man Schweißausbrüche, enge Pupillen (Miosis), Bradykardie, starker Speichel- und Tränenfluss, Muskelzuckungen, Erbrechen und schließlich Bewusstlosigkeit gefolgt von peripherer und zentraler Atemlähmung.
Dies Symptome können zum Beispiel bei Vergiftungen mit organischen Phosphorsäureestern (Schädlingsbekämpfungsmittel E605, Nervenkampfstoffe wie Sarin, Tabun oder VX) oder mit verschieden Pilzen (Risspilze oder Trichterlingen) auftreten.
Je nachdem welches Gift auf den Körper wirkt, kommt es zu einem anderen Effekt: Das Pilzgift Muskarin zum Beispiel wirkt auf die muskarinischen ACh-Rezeptoren und löst somit den gleichen Effekt aus wie ACh, ohne jedoch von der AChE abgebaut zu werden. Somit kommt es zu einer Dauererreung des Parasympathikus und den o.g. Symptomen.
Bei Vergiftungen mit organischen Phosphorsäureestern kommt es zu einer irreversiblen Hemmung der AChE und somit zu einem Überangebot an ACh, da dieses von der AChE nicht mehr abgebaut werden kann. Dies resultiert wiederum in einer Dauererregung des Parasympathikus.
Organische Phosphorsäureester sind starke Kontaktgifte, es ist daher unbedingt auf Selbstschutz zu achten! Um vor akzidentellen Vergiftungen zu schützen, sind Schädlingsbekämpfungsmittel stark blau eingefärbt. Hat ein Patient also blauen, schaumigen Auswurf vorm Mund und die o.g. Symtpome ist eine Vergiftung zumindest anzudenken. Weiters interessant ist, dass E 605 zwar verboten ist, jedoch auf vielen Bauernhöfen noch zu finden ist, da es noch Vorräte davon gibt, außerdem gibt es eine Menge anderer organischer Phosphorsäureester, die frei im Baumarkt verfügbar sind aber eine gleich oder ähnlich starke Giftwirkung aufweisen.
Um dem entgegen zu wirken ist ein Stoff nötig, der die Neurotransmitter (ACh oder Muskarin beispielsweise) von den Rezeptoren verdrängt, dabei selbst an die Rezeptoren bindet ohne jedoch einen Reiz dabei auszulösen oder weiterzuleiten. Dieser Stoff ist Atropin, ein Parasympatholytikum. Man sieht bereits: Was beim gesunden Menschen ein anticholinerges Syndrom auslöst, ist oftmals die einzige Rettung für einen vergifteten Menschen.
Besonders interessant dabei ist die Dosierung vom Atropin. Da dieses die Blut-Liquor-Schranke vergleichsweise langsam passiert, sind extrem hose Dosen von bis 100 mg Atropin als Bolus notwendig. Da es außerdem sehr schnell abgebaut wird im Körper, sind alle 10-15 Minuten Repitationen erforderlich. Dies führt zu einer möglichen Gesamttagesdosis von bis zu 15g(!!!). Vergleicht man das mit der notwendigen Menge bei einer gewöhnlichen Bradykardie, so ist das die 30 000 fache Menge!
Allgemein soll die Dosierung des Atropins an Hand von Herzfrequenz, Speichel-, Tränen-, und Schweiß-Fluss erfolgen, da diese Indikatoren für die parasympathische Aktivität darstellen.
Weiter gehts mim Artikel Vergiftungen mit Blausäure
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Näheres dazu im Artikel Vergiftungen verständlich erklärt und was man dagegen tun kann.
Kommen wir nun zum eigentlichen Thema: Vergifungen. Am besten beginnen wir, für den Rettungsdienst passend, mit einem Symptom. Dem anticholinergen Syndrom. Dieses zeichnet sich primär durch Tachykardie, heiße, gerötete Haut sowie eine geweitete Pupillen (Mydriasis) aus. Alles Effekte die durch den Sympathikus ausgelöst werden. Es wird also verständlich, dass der Parasympathikus an seiner bremsenden/beruhigenden Tätigkeit gehindert wurde und der Sympathikus die Kontrolle über die Organe hat. Wodurch passiert das nun?
Der Parasympathikus kann durch sog. Parasympatholytika gehemmt werden, diese können an die muscarinischen oder nicotinischen Acetylcholinrezeptoren binden, ohne jedoch dabei eine Reizweiterleitung auszulösen. Dadurch wird der Parasympathikus teilweise oder vollständig blockiert.
Dies geschieht zum Beispiel durch Alkohol, Tropanalkaloide (Atropin, Hyoscyamin), trizyklische Antidepressiva, GABA (Gamma-Amminobuttersäure) oder auch durch Anti-Histaminika (H-Reptoren-Blocker, Antiallergiemedikamente).
Als Antidot für so eine Vergiftung kommt Physostigmin (Med: Anticholium (R)) in Frage. Dieses ist ein reversibler Hemmer des Enzyms Acetylcholin-Esterase (AChE). Dieses Enzym spaltet den Neurotransmitter Acetylcholin im synaptischen Spalt, sodass es nicht mehr wirksam ist und der Parasympathikus nicht so stark erregt wird. Wird nun die AChE durch Physostigmin gehemmt, findet kein Abbau von ACh in synaptischen Spalt statt, die ACh-Konzentration steigt und das anticholinerge Syndrom wird damit bekämpft, indem der Parasympathikus wieder verstärkt erregt wird.
Auf die Dosierung möchte ich hier nicht weiter eingehen, da das zu weit gehen würde und für das Verständnis auch nicht von Relevanz ist.
Eine Übererregung des Sympathikus wurde nun geklärt, was ist aber, wenn der Parasympathikus überregt wird? Als Symptome hierbei würde man Schweißausbrüche, enge Pupillen (Miosis), Bradykardie, starker Speichel- und Tränenfluss, Muskelzuckungen, Erbrechen und schließlich Bewusstlosigkeit gefolgt von peripherer und zentraler Atemlähmung.
Dies Symptome können zum Beispiel bei Vergiftungen mit organischen Phosphorsäureestern (Schädlingsbekämpfungsmittel E605, Nervenkampfstoffe wie Sarin, Tabun oder VX) oder mit verschieden Pilzen (Risspilze oder Trichterlingen) auftreten.
Je nachdem welches Gift auf den Körper wirkt, kommt es zu einem anderen Effekt: Das Pilzgift Muskarin zum Beispiel wirkt auf die muskarinischen ACh-Rezeptoren und löst somit den gleichen Effekt aus wie ACh, ohne jedoch von der AChE abgebaut zu werden. Somit kommt es zu einer Dauererreung des Parasympathikus und den o.g. Symptomen.
Bei Vergiftungen mit organischen Phosphorsäureestern kommt es zu einer irreversiblen Hemmung der AChE und somit zu einem Überangebot an ACh, da dieses von der AChE nicht mehr abgebaut werden kann. Dies resultiert wiederum in einer Dauererregung des Parasympathikus.
Organische Phosphorsäureester sind starke Kontaktgifte, es ist daher unbedingt auf Selbstschutz zu achten! Um vor akzidentellen Vergiftungen zu schützen, sind Schädlingsbekämpfungsmittel stark blau eingefärbt. Hat ein Patient also blauen, schaumigen Auswurf vorm Mund und die o.g. Symtpome ist eine Vergiftung zumindest anzudenken. Weiters interessant ist, dass E 605 zwar verboten ist, jedoch auf vielen Bauernhöfen noch zu finden ist, da es noch Vorräte davon gibt, außerdem gibt es eine Menge anderer organischer Phosphorsäureester, die frei im Baumarkt verfügbar sind aber eine gleich oder ähnlich starke Giftwirkung aufweisen.
Um dem entgegen zu wirken ist ein Stoff nötig, der die Neurotransmitter (ACh oder Muskarin beispielsweise) von den Rezeptoren verdrängt, dabei selbst an die Rezeptoren bindet ohne jedoch einen Reiz dabei auszulösen oder weiterzuleiten. Dieser Stoff ist Atropin, ein Parasympatholytikum. Man sieht bereits: Was beim gesunden Menschen ein anticholinerges Syndrom auslöst, ist oftmals die einzige Rettung für einen vergifteten Menschen.
Besonders interessant dabei ist die Dosierung vom Atropin. Da dieses die Blut-Liquor-Schranke vergleichsweise langsam passiert, sind extrem hose Dosen von bis 100 mg Atropin als Bolus notwendig. Da es außerdem sehr schnell abgebaut wird im Körper, sind alle 10-15 Minuten Repitationen erforderlich. Dies führt zu einer möglichen Gesamttagesdosis von bis zu 15g(!!!). Vergleicht man das mit der notwendigen Menge bei einer gewöhnlichen Bradykardie, so ist das die 30 000 fache Menge!
Allgemein soll die Dosierung des Atropins an Hand von Herzfrequenz, Speichel-, Tränen-, und Schweiß-Fluss erfolgen, da diese Indikatoren für die parasympathische Aktivität darstellen.
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